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Paul Faure, Magie der Düfte

Eine Kulturgeschichte der Wohlgerüche

Deutscher Taschenbuch Verlag, 1993 (orig. Parfums et aromates de l'Antiquité, 1987) [@amazon]

In diesem, nur noch antiquarisch erhältlichen, 352-seitigen DTV-Bändchen nimmt uns der französische Archäologe Paul Faure auf eine Zeitreise zu den Pharaonen, den semitischen Reichen der Zeit Salomos, den Minoern und Mykenern, bis hin zu den Griechen und Römern. Er beschäftigt sich dabei mit einem sonderbaren Widerspruch: Zwar können wir sicher sein, dass Düfte, Aromata und die dafür erforderlichen Substanzen eine große Rolle im Leben des Altertums gespielt haben. Gleichzeitig gibt es aber nur wenige und unzuverlässige Quellen, die uns beschreiben, wie diese Gerüche erlebt wurden.

Einerseits gehörten Räucherwerk und Salböl in den Bereich der Religion, der Ekstase und der Toten, andererseits in den des Eros und der Verführung. Beides wird von sprachlichen Tabus verhüllt. Auch wir tun uns nicht leicht, Gerüche zu beschreiben.

Trotz dieser Schwierigkeiten gelingt es Faure, einiges an Schätzen zu heben. Mich interessiert besonders die Zeit der Minoer. Für diese liegen naturgemäss nur karge Quellen vor, aber die überragend wichtige Bedeutung von Aromata, Räucherwerk und Duftstoffen ist unverkennbar. Interessant ist Faures Darstellung einiger Linear-B Täfelchen, von denen wir glauben, sie enthielten trockene Auflistungen aus der Palastbuchhaltung. Wenn man aber genauer hinschaut, beginnt man sich zu wundern. Ein Beispiel (und Faure versichert uns, dass dies durchaus kein Einzelfall ist):

"Für den König 2 Maß Weihrauch, 1 Maß wilden Majoran; für den Priester von Pande 1 Maß wilden Majoran; für den Herold 2 Maß Poleiminze, 1 Maß Saflor, 6 Maß wilden Majoran; für Tephrion 1 Maß wilden Majoran; für die Dienerinnen des Kults 1 Maß Safran; für Artemis 1 Maß wilden Majoran; für die Opferdiener 1 Maß Kalmus in winzigen Stücken; für den Lederumhangträger 1 Maß Kreuzdorn, 3 Maß wilden Majoran; für den Gott Poseidon 1 Maß Gummiharz der Terpentinpistazie; für die Göttin Hera 1 Maß Ysop; für Alkawon 1 Maß Fenchel; für den Heerführer 1 Maß Fenchel, 1 Maß Koriander, 1 Maß Mohn, 1 Maß wilden Majoran, 1 Maß Iris, 1 Maß Wacholder"

Was war das für eine Buchhaltung? Was war das für eine Welt?

Wenn ich Vorbehalte gegen das Buch habe, dann ist es neben einem gewissen Eurozentrismus (ja, er beschreibt ausführlich, wie geheimnisvolle Ingredienzien aus Arabien, Afrika, Indien und China importiert wurden, aber immer aus der Perspektive der europäischen Importeure), manchen sonderbar übersetzten Begriffen (Eppich, ach so das ist Liebstöckl. Maggikraut) vor allem ein gewisses Gefühl der mangelnden Konkretheit. Ich möchte wissen, wie diese Stoffe aussahen (hier hilft Google), wie sie gemacht wurden (da gibt er viele Hinweise, ich kann's mir trotzdem schwer vorstellen) und wie sie gewirkt haben. An diesem Punkt erreichen wir offenbar schnell den Bereich des nicht-mehr-kommunizierbaren.

Bewertung: Ein sehr lesenswerter und lesbarer Essay über ein Thema, das zum Verständnis der alten Kulturen vielleicht weniger abwegig ist, als es zunächst scheint. Wie auch bei Faures Kreta immer ein wenig balancierend zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und dem essayistischen Bedürfnis des Autors, durch Originalität zu glänzen.

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