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Paul Jordan, The Atlantis Syndrome

Sutton Publishing, 2001 [@amazon]

Mit ähnlicher Stoßrichtung wie Nesselrath, aber sehr viel ausführlicher, gibt Paul Jordan eine Abrechnung mit dem "atlantologischen Syndrom", wie er es nennt. Das Buch ist gut lesbar und bespricht ausführlich viele der modernen (und streift auch ältere) Autoren von Blavatzky, über Donelly, Spence, Cayce, Peter James, J.M.Allen, Flem-Ath, Colin Wilson, Graham Hancock, von Däniken bis hin zu Collins. Überflüssig zu sagen, dass er von all diesen nicht viel hält. Dabei zeigt er, wie die Wahrnehmung von Atlantis sich im Lauf der Zeit verschoben hat von einer eher negativen Gegenmacht gegen das idealisierte Athen (bei Plato) bis hin zur universalen Mutter aller Zivilisation bei einigen neuern Autoren.

Das Buch enthält nicht nur eine Abrechnung mit den Thesen der besprochenen Atlantologen, sondern interessanterweise versucht Jordan im Gegenzug auf 60 Seiten einen kurzen Abriss dessen zu geben, was die wissenschaftliche Archäologie über die von diesen Autoren behandelten Epochen (von immerhin einigen zehntausend Jahren) zu sagen hat.

Der vorgelegte Galopp durch die Zeit wäre eine Erwiderung wert, die über den Rahmen der vorliegenden Buchbesprechung hinausgeht. Er regt allerdings zum Nachdenken an und macht darauf aufmerksam, dass sich in Jahrhunderten wissenschaftlicher Arbeit ein aus vielen einzelnen Erkenntnissen sich gegenseitig stützendes Gesamtgebäude errichtet hat, welches von den esoterischeren der Atlantologen einfach nicht zur Kenntnis genommen wird.

Nicht in Ordnung finde ich seinen bereits im Titel angekündigten Anspruch, hinter den einzelnen Beiträgen der von ihm besprochenen Autoren ein "Syndrom" im Sinne eines Krankheitsbildes zu konstruieren. Ganz unbestreitbar wurde über Atlantis viel Unsinn verzapft. Das gilt für viele andere Themen auch. Mit einer kollektiven Verurteilung macht Jordan sich die Sache allerdings zu einfach, und das medizinische Paradigma befreit ihn auch ein wenig vor genauem Hinsehen auf die meiner Ansicht nach recht unterschiedlichen Motive, sich mit dem Thema zu befassen. (Zielgerichteter hat sich z.B. Wegener einer bestimmten besonders düsteren Spielart arischen Atlantistaumels angenommen.)

Nicht ganz so drastisch (aber trotzdem eindeutig) fällt Jordans Zurückweisung der mich am meisten interessierenden Hypothese aus, dass die vulkanische Zerstörung Theras (und der seinerzeit angenommene dadurch verursachte Untergang der Minoischen Zivilisation) in abgewandelter Form die Grundlage für Platos Geschichte war (siehe Luce und Castleden). Er bewertet dies als "the most rational attempt ever proposed", den er aus bekannten Gründen trotzdem für verfehlt hält. Ich weiß es immer noch nicht. Aber wenn ich eine größere Summe zu verwetten hätte, würde ich wohl darauf setzen, dass er Recht hat.

Bewertung: Bei einigen Schwächen bislang das beste Buch zum Thema - jedenfalls aus Sicht der orthodoxen Wissenschaft, und bei einigen der von ihm besprochenen Atlantologen auch das Einzige, was man über sie wissen muss. Pflichtlektüre für jeden, der sich mit Atlantis beschäftigt.

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