John V. Luce, Atlantis

Legende und Wirklichkeit

Luce unterbreitet in seinem Buch zwei Hypothesen:

1. Kretas Macht erhielt durch die von einer Flutkatastrophe begleitete Explosion des Thera-Vulkans um 1470 v.Chr. ihren Todesstoß;
2. Platos Atlantis-Bericht enthält einen fragmentarischen Niederschlag bronzezeitlicher Geschichte, dessen Kern diese Zerstörung Kretas durch vulkanische Gewalt ist.

Wie der Verfasser selbst sagt, steht jede der beiden Hypothesen für sich allein.

Die zweite Hypothese (Atlantis) wird durch eine Vielzahl eher weicher Indizien gestützt (Originalton: "Oder wäre es nicht ein merkwürdiges Spiel des Zufalles, dem man sonst eine derartige Fülle auffallend zutreffender Übereinstimmungen zuzuschreiben hätte?") und "wer sich in seiner Hypothesenfreudigkeit in nichts erschüttern lässt" - wie er selbst mit einem Augenzwinkern schreibt - mag ihm hier in allen Einzelheiten folgen (ähnlich wie bei Castleden).

Für interessanter halte ich seine erste Hypothese: das rätselhafte und scheinbar spurlose plötzliche Verschwinden der minoischen Kultur wäre durch Vulkan-Ascheregen und tsunami vollkommen plausibel erklärt, wenn nicht..., ja wenn nicht neuere Forschung die Jahreszahlen in Frage gestellt hätte. Der Vulkanausbruch war zweihundert Jahre zu früh.

Insofern haben wir die paradoxe Situation, dass Luce immer noch das am besten in sich stimmige Erklärungsmodell für den Untergang der minoischen Kultur vorgelegt hat, das nur leider nicht zu ein paar naturwissenschaftlich gewonnenen Daten passt, während wir heute vielleicht mehr Wissen, aber weniger Erklärung haben.