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Heinz-Günther Nesselrath, Platon und die Erfindung von Atlantis

Lectio Teubneriana

K.G.Saur München, 2002 [@amazon, Homepage des Autors]

Die Eule der Minerva beginnt ihren Flug erst in der Dämmerung. So oder ähnlich drückte Hegel aus, dass die Stimme der Vernunft oft recht grau in grau daherkommt. Im vorliegenden Fall tritt sie derart unscheinbar auf, dass ich das Büchlein von Heinz-Günther Nesselrath beim Auspacken des Kartons fast versehentlich zusammen mit dem Lieferschein weggeworfen hätte.

Der Autor stellt sehr knapp einige neuere Atlantis-Bücher vor (u.a. Zangger, Flem-Ath, Luce, Castleden, Collins, Freksa), und es genügt schon, diese Theorien derart nebeneinanderzustellen, um sie alle miteinander ins Lächerliche zu ziehen. (Wer das etwas ausführlicher haben will, sei auf das Werk von Paul Jordan verwiesen, das auch Nesselrath als "das derzeit beste allgemein verständliche Buch zu Atlantis" empfiehlt.)

Nesselrath zeigt, dass jeder, der an die Wahrheit von Platos Atlantisgeschichte glaubt, diese erheblich zurechtbiegen muss. Aus meiner Sicht ist das nicht weiter schlimm, solange man überzeugt ist, dass der Überlieferungsweg der Geschichte, wie er bei Plato skizziert wird (von ägyptischen Priestern in Saïs über Solon bis zu Plato selbst), auf Tatsachen beruht. Genau das aber wird von Nesselrath bestritten.

Mir fällt auf, dass Nesselrath an dieser Stelle ähnlich mit Plausibilität argumentiert wie die von ihm attackierten Atlantologen. Es spricht manches dafür, dass Plato sich die ganze Sache einfach ausgedacht hat. Aber kann man es wissen? Echte Beweiskraft pro Atlantis hätte eine von Plato unabhängige Quelle. Eine solche liegt nicht vor. Echte Beweiskraft contra hätte ein Geständnis des Angeklagten Plato. Auch ein solches gibt es nicht.

Bis dahin bleibt es die Rolle der "kühnen Geister", zu suchen, ob sich nicht doch etwas finden lässt, und bleibt es die Rolle der kritischen Wissenschaft, dies alles kurz und knapp für Hirngespinste zu erklären. Kurz und knapp.

Eine ausführliche und erheblich gründlichere Besprechung als diese hier ist erschienen in der Bryn Mawr Classical Review.

Bewertung: Als sanity check durchaus lesenswert. Belastet das Reisegepäck in keiner Weise, ist aber eindeutig zu wenig Buch für's Geld (€ 0.58 pro Blatt).

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