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Torsten Timm, Der Diskos von Phaistos

Fremdeinfluss oder kretisches Erbe?

Books on Demand, 2005 [@amazon, Web Site des Autors]

Hier ist einer am Werk, der es wirklich wissen will. Und der das grundlegende Problem kennt, welches jeder hat, der sich mit diesem Thema befasst:

Der Diskos von Phaistos ist ein Unikat, das routinierten Umgang mit Schriftlichkeit bezeugt, vereinigt mit (für damalige Zeit) futuristischer Technik und coolster Aesthetik. Scheinbar ohne Vorgänger. Ohne Nachfolger. Ohne Kontext. So viele Wissenschaftler und Nicht-Wissenschaftler haben sich in den letzten hundert Jahren an dieser Provokation die Zähne ausgebissen (einen interessanten Überblick bietet Anthony P. Svoronos), dass inzwischen jeder neue Versuch mit dem Fluch der Kassandra belegt ist: Sie konnte die Wahrheit zwar sehen, aber keiner nahm sie ernst.

Timm versucht diesem Schicksal dadurch zu entgehen, dass er Bezüge zu anderen Fundobjekten, vor allem aber zur alten minoischen Linear-A-Schrift herstellt. Dazu quält er sich und den Leser durch Berge von Statistik. Vielleicht hilft ihm das, in der (kleinen) Gemeinde der Linear-A Spezialisten akademische Anerkennung zu erhalten.

Einige von Timms Thesen halte ich jedenfalls für sehr plausibel:

Bei aller Ernsthaftigkeit war es wohl nicht die Absicht Timms, ein leicht lesbares Buch zu schreiben. So versteckt er einige Perlen ganz hinten, etwa die Geschichte des Diskos von Olympos, zitiert nach Paulys Real-Encyclopädie von 1916, in dem von einem Diskos mit einer im Kreis herumlaufenden Inschrift die Rede ist, den Aristoteles besaß und der den Gottesfrieden des Iphitos enthielt.

In einem Punkt bin ich übrigens methodisch nicht mit Timm einverstanden: Natürlich setzt jeder Entzifferungsversuch voraus, dass Grundannahmen getroffen werden: Wo ist vorn und hinten, Anfang und Ende, linksherum oder rechtsherum, Silbenschrift oder Ideogramme, usw. Und für jede dieser Entscheidungen gibt es Argumente. Das sollte uns aber die Augen nicht davor verschließen, dass all dies Hypothesen sind, die erst durch die Entschlüsselung selbst zur Gewissheit werden. Damit meine ich: Lösungen, die auf anderen als den von Timm gewählten Annahmen beruhen, sollte er nicht einfach ausschließen.

Bewertung: Eine sehr ernsthafte (und ernstzunehmende) Auseinandersetzung mit dem Diskos, die versucht, die Beschäftigung mit diesem Objekt wieder in den wissen­schaftlichen Raum zurückzuführen, aus dem sie seit einiger Zeit herausgefallen ist, weil niemand das Rätsel lösen konnte. Leider weiss man am Schluss immer noch nicht, was auf dieser verflixten Scheibe draufsteht.

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