Adonis S. Vasilakis, Die große Inschrift des Gesetzeskodex von Gortyn

Verlag Mystis KG, 2005 [@cretashop]

In einem schmalen, 88-seitigen, reich bebilderten Heftchen präsentiert Adonis S. Vasilakis die "große Inschrift von Gortyn". Diese selbst ist ein 1.50m mal 9.00m großes in Steinquader gemeißeltes Gesetzbuch, das offenbar bereits in römischer Zeit als so alt und wertvoll angesehen wurde, dass damals die vielen Quader - sorgfältig numeriert - aus einem früheren Gebäude in ein neues "Odeion" versetzt wurden.

Die meisten Rechtsanwälte verdienen ja heutzutage ihr Brot mit Scheidungen, und das scheint auch im alten Kreta um 500 v.Chr. nicht viel anders gewesen zu sein. Jedenfalls listet der Codex in epischer Breite alle möglichen Fälle auf: von Erbrecht, Scheidung, Adoption, aber auch Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und anderen Vergehen gegen Freie und Sklaven. Alle Strafen sind jeweils minutiös festgelegt. Interessant ist, dass der gesamte Text zivilrechtlicher Natur ist, es geht also immer darum, welchen Anspruch ein Geschädigter geltend machen kann.

Viele Einzelheiten an diesem Dokument sind bemerkenswert, und es eine Menge Literatur, die darauf Bezug nimmt (siehe z.B. Wikipedia. Allein durch seinen Umfang von 600 Zeilen gibt der Text einen direkten Zugang zu Problemen des alltäglichen Zusammenlebens in einer Zeit, von der wir sonst meist nur Heldengeschichten kennen. Nur ein Beispiel: Ehefrauen hatten - im Gegensatz zum Athenischen Recht - ein eigenes Vermögens- und Erbrecht, welches sie auch gerichtlich geltend machen konnten. Es kann spekuliert werden, ob darin etwas "minoisches" zum Ausdruck kommt.

Das Büchlein ist sehr liebevoll und sorgfältig gestaltet. Es behandelt nicht nur den Codex, sondern enthält auch einen Rundgang durch Gortyn und seine, aus vielen verschiedenen Epochen stammenden, Baudenkmäler und Ruinen. Es hat eine Zeittafel, eine Bibliographie, Kommentare zum Codex sowie ein Glossar. Dabei ist der Text sehr knapp und leicht verständlich gehalten, so dass man ihn problemlos am Strand verschlingen kann. Für diejenigen, die in Boustrophedon (mal linksherum, mal rechtsherum) geschriebene alte (vorklassische) griechische Schrift entziffern und lesen wollen, ist der gesamte Text der Inschrift auf einem ca. 1m breiten Faltblatt beigefügt.

Ein Wort zum Preis: Ich habe das 88-seitige dünne Werk letztes Jahr im Buchladen von Matala für €4,50 gekauft (und fand es relativ teuer). Cretashop bietet es für €12,50 an (bzw. €15,95 incl. Versand nach Deutschland/Schweiz). Da lohnt es sich fast, nach Matala zu fahren ...

Bewertung: Sehr schönes, lesenswertes und interessantes Büchlein über ein Stück Geschichte aus erster Hand. Es macht richtig Lust darauf, sich - was ich noch nie gemacht habe - Gortyn anzuschauen.

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