Antonis Vassilakis, Minoisches Kreta

Vom Mythos zur Geschichte

Antonis Vassilakis hat hier, wie er selbst schreibt, 35 Jahre nach dem Buch Minoische Kultur von Alexiou eine Gesamtschau des minoischen Kreta vorgelegt, die allen Ansprüchen eines kulturell interessierten Kreta-Reisenden voll entspricht.

Das Buch gibt als allgemeine, lockere Einführung in die Geschichte Kretas den (ungefähr) neuesten Stand der archäologischen Forschung zuverlässig wieder. Dabei ist es sehr schön bebildert und hilft archäologischen Laien wie mir durch ein Glossar am Ende des Buchs durch die Fachbegriffe hindurch.

Sehr gut hat mir seine ausführliche Darstellung der vielen Mythen rund um Kreta gefallen. Dabei finde ich es besonders spannend, wie er die Verwandlung der mythischen Figuren im Lauf der Zeit und verschiedene Varianten derselben Geschichte darstellt und so der Überlieferung eine ganz neue Dynamik gibt.

Bekanntermaßen werden die minoischen Funde teilweise sehr verschieden interpretiert. Vassilakis bezieht meist selbst klar Position, und man muss ihm nicht in allen Punkten zustimmen. Er benennt aber sehr gewissenhaft, wo es abweichende Auffassungen zu seiner eigenen gibt.

Wenn es an dem Buch etwas auszusetzen gibt, dann ist es neben einem kurzen allgemeinen Kapitel über Geographie, Fauna und Flora Kretas, das man unbeschadet überblättern kann (in diesem Punkt besser: Fitton), seine manchmal übertriebene Neigung nach Vollständigkeit, die sich immer wieder in Aufzählungen (z.B. wo man den soeben beschriebenen Gegenstand noch überall gefunden hat) äußert, die den Schwung seiner sonst sehr lebendigen Erzählung ausbremst. Meine Empfehlung an solchen Stellen: einfach darüber hinweglesen.