Marion Zimmer Bradley, Die Feuer von Troja

Die Troja-Geschichte als Abenteuerroman aus der Sicht der Kassandra: ein guter Stoff. Noch dazu von einer Autorin, die fesselnd zu schreiben weiss. Ich habe den Roman mit Interesse bis zu Ende gelesen, fand ihn spannend und unterhaltsam. Die Figuren der Ilias treten recht schön plastisch auf.

Trotzdem haben mich einige Dinge an dem Roman schwer gestört:

• Es gelingt der Autorin meiner Meinung nach nicht, sich in das Denken einer Frau hineinzuversetzen, die vor 3200 Jahren gelebt hat. Das Denken der Beteiligten, die inneren Monologe v.a. Kassandras, wie sie im Roman dargestellt werden, spiegeln viel zu modernes Denken wider. Deshalb erscheint mir die Darstellung der Kassandra auch viel schwächer als bei Christa Wolf, wenngleich diese sich nicht so süffig liest.
• Das Treiben der Götter, die auf Kosten der Menschen ihre Spielchen spielen, wird ganz wörtlich genommen. Die Götter erscheinen tatsächlich in Person. Gleichzeitig lässt die Autorin immer ein kleines Hintertürchen offen, was deren wahre Natur angeht. Für ein modernes Bewusstsein wäre es ja auch nur konsequent, die Götter psychologisch wegzuerklären.
• Kreta spielt eine kleine Rolle als Bezugspunkt, wo die Frauen noch an der Macht waren. Im Übrigen geht es gegen die Griechen, die böse Chauvinisten sind, während mit Pentesilea und den Amazonen die gute alte Zeit untergeht.
• Nur am Rande: Erstaunlich, dass als einzig männliche Lichtgestalt in diesem feministischen Setting Aeneas auftritt, der sich nach Italien absetzt und später Rom gründet. Wären demnach die Römer die wahren Nachfolger der Amazonen?