buy@amazon

Mary Renault, Der König muss sterben

Droemer Knaur Taschenbuch, 1985 (Orig. The King Must Die, 1958) [@amazon]

Bereits 1958 legte Mary Renault diesen Roman vor. Der Athenische Heros Theseus selbst erzählt in der 1. Person von seiner Jugend in Troizen, den Abenteuern auf seiner Reise über Eleusis nach Athen, seiner Fahrt nach Kreta und dem Kampf gegen den Minotaurus, also von all den Ereignissen, die Gegenstand der bekannten Theseus-Sage sind (welche auch auf den letzten vier Seiten des Buches zusammengefasst abgedruckt ist).

Dabei ist es das Anliegen der Autorin, uns Theseus als Menschen seiner Zeit darzustellen und verständlich zu machen. Dazu "rationalisiert" sie einerseits die im Mythos berichteten direkten Eingriffe übermenschlicher Kräfte - aus Riesen und Monstern werden Menschen, göttliche Interventionen spielen sich nicht wortwörtlich sondern nur im Geist der Menschen ab - andererseits bettet sie den Theseus ihres Romans in den Kontext jener Zeit, wie wir sie durch Archäologie und Geschichte der frühen griechischen Epoche kennen. So mag nach unserem Informationsstand jene Zeit immerhin ausgesehen haben und die Handlungsweise der Akteure wird auf diese Weise verständlich und plausibel.

Die Welt, die auf diese Weise entfaltet wird, und die Fragen, um die sie sich dreht, sind spannend zu lesen: Welche Kraft hat Moira, das vorbestimmte Schicksal? Welche Pflichten hat der König (darauf spielt der Titel an: zu seinen Pflichten gehört es, im rechten Moment zu sterben. Welches ist dieser rechte Moment?) Eine wichtige Auseinandersetzung dreht sich um die Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen, wobei die Frauenherrschaft sich in den rückständigeren, der Erdgöttin verbundenen Gesellschaften von Eleusis und Kreta verkörpert, die Männerherrschaft in den zukunftsorientierten olympischen Göttern der Hellenen.

Hier ist dann auch der Moment, wo ich Vorbehalte gegen den Roman habe: Ich halte diese Gegenüberstellung für eine Konstruktion, die sich in dieser Form nicht gestellt hat. Und ein wenig wird Renaults Roman in dieser Hinsicht ein Opfer einer ähnlichen Konstruktion wie Brigitte Riebes Palast der blauen Delphine. Die hellenischen Heroen um Theseus (und Minos, Daidalus, Ariadne usw.) entstammen einer anderen Zeit als die "minoischen" Paläste Kretas. Dazwischen lagen Jahrhunderte.

Bewertung: Ich halte den Roman für absolut lesenswert. Allerdings ist er am stärksten, wo er die Triebkräfte eines frühgriechischen Helden darstellt. Als All Time Classic Novel about the Minoans, wie Anthony Svoronos, kann ich ihn nicht bezeichnen.

An deinem Feedback bin ich sehr interessiert:

Zur Vermeidung von Spam hier bitte nebenstehenden Code eingeben:

Die Besprechung war für mich nützlich:
sehr ziemlich geht so kaum
Was ich noch sagen wollte:

Meine Email Adresse (optional):