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Verena Appenzeller,
Der Diskos von Phaistos

- Kretas erster Krimi?

Books on Demand, 2005 [@bod, @amazon]

Man merkt sofort, dass der Autorin das Schreiben dieses Büchleins diebische Freude bereitet hat. Etwas von diesem Vergnügen überträgt sich auf den Leser.

Gegenstand ihres Romans ist - wie der Titel eindeutig kundtut - die berühmte in Phaistos gefundene Tonscheibe. Diese ist paradigmatisch für das ganze Minoische Kreta: Mangels ausreichender Daten ist sie - obwohl ästhetisch und handwerklich offenkundig das Werk eines entwickelten Geistes - rettungslos unterdeterminiert, was bedeutet, dass sie vielleicht sogar entziffert werden kann, diese Entzifferung aber in keinem Fall zwingend ist. Das trifft auf unglaublich viele Aspekte der Minoischen Kultur zu, was damit zu tun hat, dass es trotz einer Fülle von architektonisch und künstlerisch faszinierendem Material einfach zu wenig schriftliche Dokumente gibt, und das Wenige in geradezu absurder Weise verschieden interpretiert werden kann. (Ein Fall, der mir jüngst begegnete ist ein Linear-A Wort, das die erlauchten Geister (mutig) als "A-SA-SA-RA" lesen, und das wahrscheinlich den Namen einer aus Kleinasien stammenden Göttin bezeichnet - wenn es nicht doch die Bezeichnung für "Opferaltar" oder ähnliches ist.)

Verena Appenzeller spielt in ihrem Roman ein Spielchen, das strukturell gewisse Ähnlichkeit mit dem des Ehepaars Peddle hat: Sie konstruiert eine Geschichte so, dass sie in den bekannten archäologischen Fakten resultiert, aber auf eine Art, die alle ernsthaften Bemühungen der Wissenschaft auf die Schippe nimmt, aus diesen Fakten rückwärts auf die Geschichte zu kommen. Im Gegensatz zu dem der Peddles ist ihr Buch allerdings leicht und amüsant zu lesen, selbst wenn man daran glaubt, dass eine "wirkliche" Entzifferung des Diskos immerhin möglich ist.

Mir gefällt das Buch besser als ihr erstes (Wenn Götter grollen), weil sie ihren eigenen Text nicht ganz ernst nimmt. Anachronismen, sprachliche Verniedlichungen, ihr Hang zu alemannischem Sprachgebrauch, wirken im Zusammenhang zur ironisch konstruierten Handlung des neuen Buchs viel gefälliger.

Auch gelingt es ihr, den Handlungsstrang durch mehrere Windungen und überraschende Wendungen bis zum Schluss hin spannend zu halten, obwohl man ja in gewissem Sinn von vorneherein weiß, was herauskommt.

Bewertung: Eine angenehme, leichte und unterhaltsame Lektüre, die den Ernst aus der Beschäftigung mit dem mysteriösen Diskos herausnimmt. Mit Sicherheit war alles völlig anders als Verena Appenzeller es beschreibt. Dummerweise steht alle Sicherheit in diesem Fall auf sehr tönernen Füßen

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